“Festgemauert in der Erden steht die Form aus Lehm gebrannt ...”. So beginnt “das Lied von der Glocke”, das Friedrich von Schiller im Jahre 1799 geschrieben hat. Er beschreibt darin auch den Vorgang des Glockengießens. Daran hat sich seit 500 Jahren nichts geändert.
Und so erlebten 50 Gemeindemitglieder von St. Otto am 15. April 1994 den Guss ihrer neuen Kirchenglocken bei der Firma Bachert in Heilbronn. Nach einer Führung durch die Werkstatt, bei der die Arbeit des Glockengießers erklärt wurde, schloss sich der eigentliche Guss an. Traditionsgemäß wird er immer nur am Freitag zwischen 15.00 und 16.00 Uhr, zur Todesstunde Jesu, ausgeführt.
Etwa zehn Tonnen Kupfer (78 %) und Zinn (22 %) wurden bei 1100°C geschmolzen, um die insgesamt zehn Glockenformen an diesem Tag zu füllen, darunter auch die vier Glocken für St. Otto. Sie tragen folgende Aufschriften:
Kaplan Kauer sprach vor Beginn ein Gebet, in dem er um das Gelingen des Gusses bat, damit die Glocken zum Lobe Gottes erschallen können. Dann wurde der Ofen angestochen und die rotglühende Glockenspeise ergoss sich in die Formen. Nach ca. einer halben Stunde waren alle zehn Glockenformen gefüllt. Mit dem “Vater unser” und dem Lied “Lobe den Herren”, das von allen Anwesenden gebetet bzw. gesungen wurde, war dann der Guss beendet.
Herr Bürgermeister Lang und Herr Kaplan Kauer hielten eine kurze Ansprache und Frau Simon trug noch ein selbstverfasstes Gedicht vor. Die beiden Glockenstifter Herr Helmut Popp und Herr Hans Wormser ließen es sich nicht nehmen, die gesamte St. Otto-Gruppe zu einer deftigen Brotzeit und Württemberger Wein einzuladen. Damit klang dieser eindrucksvolle Tag für alle fröhlich aus.
Eine Woche später bestätigte die Firma Bachert, dass der Guss gelungen war und der Klang der Glocken geprüft wurde. Somit stand der Glockenweihe nun nichts mehr im Wege.
Am Sonntag, dem 1. Mai 1994 setzte sich der Festzug bei strahlendem Sonnenschein vom alten Friedhof aus in Richtung St. Otto-Kirche in Bewegung. Angeführt wurde er von fahnentragenden Ministranten und den Erstkommunionkindern. Es folgte die Stadtjugendkapelle und dann der festlich geschmückte Lastwagen mit den vier neuen Kirchenglocken. Dahinter folgten die Priester, die Glockenstifter, die geladenen Ehrengäste, darunter auch extra aus der Partnerstadt Wolfsberg / Kärnten angereiste Gäste, sowie die neugewählten Pfarrgemeinderäte und viele Gläubige der Pfarreien St. Magdalena und St. Otto.
Angekommen an der Kirche fand vor dem Gotteshaus der Wortgottesdienst statt. Herr Dekan Sterzl sprach den wahren Sinn der Glocken an, die die Menschen in seinem ganzen Leben begleiten. Sie sollen die Gemeinde zum Gottesdienst rufen, Säumige mahnen, Mutlose aufrichten und Trauernde trösten, die Glücklichen erfreuen und die Verstorbenen auf Ihrem letzten Weg begleiten. Anschließend segnete Herr Dekan Sterzl alle Glocken mit Weihwasser und salbte jede an vier Stellen mit Chrisam.
Die Eucharistiefeier fand dann in der Kirche statt, an der die Geistl. Räte Fritz Fröhlich und Alfred Will, Kaplan Joachim Kauer und Pastoralreferent Norbert Schleicher teilnahmen. Die musikalische Gestaltung der Feier übernahm die Stadtjugendkapelle Herzogenaurach. Zum Schluss wurden noch einige kurze Ansprachen der Ehrengäste gehalten.
Als Erinnerung an diesen denkwürdigen Tag für die St. Otto-Gemeinde wurden kleine Bronzeglöckchen mit dem Datum der Weihe verkauft. Das Mittagessen, das die Stadtjugendkapelle musikalisch umrahmte, fand im Festzelt neben der Kirche statt. Mit Kaffee und Kuchen klang das Fest am Spätnachmittag aus.
Der Festzug durch die Stadt, die Glockenweihe, der feierliche Gottesdienst sowie das herrliche Frühlingswetter dazu werden diesen Tag für viele unvergessen machen.
Zur Einweihung unseres neuen Gotteshauses durch Herrn Bischof Werner Radspieler am 12. Juni 1994 waren die neuen Glocken von St. Otto das erste Mal zu hören.
Der Wunsch aller Gemeindemitglieder ist mit dem letzten Vers aus Schillers “Glocke” gut getroffen:
“Freude dieser Stadt bedeute
Friede sei ihr erst Geläute.”
vgl.: Olga Wormser: “Die Glocken für St. Otto”,
in: Eine Gemeinde erinnert sich.
Festschrift zur Einweihung der St. Otto Kirche,
Herzogenaurach. 12. Juni 1994, S. 31-33